Vorlesung im Sommersemester 1993


Funktionentheorie I

Wolfgang K. Seiler


Die Funktionentheorie I ist eine Grundvorlesung für Studenten ab dem vierten Semester; sie befaßt sich mit den analytischen Eigenschaften der Funktionen einer komplexen Veränderlichen. Wie jede Grundvorlesung hat sie zahlreiche Beziehungen zu anderen Gebieten innerhalb und außerhalb der Mathematik; innerhalb der Mathematik sind hier vor allem die Algebra, Geometrie, Zahlentheorie, harmonische Analysis und die Theorie der linearen Differentialgleichungen zu nennen; außerhalb der Mathematik ist die Funktionentheorie ein unabdingbares Hilfsmittel für die Physik und die Elektrotechnik, aber auch in anderen Teilen der Technik und bei der Analyse von Algorithmen wird sie häufig angewendet.

Obwohl die komplexe Zahlenebene C als Vektorraum isomorph ist zu R, unterscheiden sich die Eigenschaften komplexer Funktionen deutlich von denen der reellen: Einerseits ist die Differenzierbarkeit einer Funktion im Komplexen eine sehr viel stärkere Einschränkung als im Reellen, andererseits folgt aber aus der einmaligen komplexen Differenzierbarkeit sofort, daß die Funktion beliebig oft differenzierbar ist und in einer gewissen Umgebung durch eine Potenzreihe dargestellt werden kann, so daß die Funktionentheorie in vieler Hinsicht einfacher ist als die reelle Analysis. Auch bei der Integration gibt es deutliche Unterschiede, da ein komplexes Integral a priori stets ein Wegintegral ist. Allerdings zeigt sich auch hier, daß dieses Integral nicht vom Weg abhängt, wenn man den Weg nur innerhalb jenes Gebiets deformiert, in dem die Funktion komplex differenzierbar ist.

In der Vorlesung ging es nach einer kurzen Wiederholung des Rechnens mit komplexen Zahlen zunächst darum, die im vorigen Abschnitt angedeutete Äquivalenz vieler wesentlicher Eigenschaften einer Funktion herauszuarbeiten und daraus Folgerungen zu ziehen; danach wurden einige wichtige Funktionenklassen (holomorphe und meromorphe Funktionen) behandelt und die Geometrie eines Gebietes mit den auf diesem Gebiet definierten komplex differenzierbaren Funktionen in Verbindung gebracht. Zum Schluß wurde noch spezielle Funktionen wie die Gammafunktion und die Riemannsche Zetafunktion genauer untersucht.

Zu dieser Vorlesung gibt es ein Skriptum (dvi-file, 400kB). Sie wurde fortgesetzt als Funktionentheorie II.