Vorlesung im Wintersemester 1999/2000


Einführung in die Computeralgebra

Wolfgang K. Seiler

Ort und Zeit: Montag und Mittwoch, 12.00 - 13.30, Hörsaal 103


Wohl jeder hat schon von Computeralgebrasystemen wie Maple, Mathematica oder muPad gehört, die nicht nur numerisch, sondern auch symbolisch rechnen können und dabei oft auch dann noch Lösungen von nichtlinearen Gleichungssystemen oder Stammfunktionen zu komplizierten Integranden finden, wenn der durchschnittliche Mathematiker keinen Lösungsweg sieht. Andererseits geben sie gelegentlich selbst bei einfachen linearen Gleichungssystemen eine anscheinend "e;falsche"e; oder zumindest unvollständige Lösung an, und sie haben manchmal Probleme mit der Anwendung von so einfachen Regeln wie sin2t + cos2t = 1.

In dieser Vorlesung möchte ich zunächst auf die grundlegenden Unterschiede zwischen numerischem, exaktem und symbolischen Rechnen eingehen; insbesondere geht es also auch darum, bei welchen Problemen man sinnvollerweise Computeralgebra einsetzt, und wo man mit klassischer Numerik weiter kommt. Vorteile bietet die Computeralgebra beispielsweise bei Steuerungsproblemen, etwa in der Robotik, wo die Auswertung einer einmal gefundenen symbolischen Lösung erheblich effizienter ist als die numerische Lösung eines jeden Einzelproblems, oder auch in der Computergraphik, wo der Unterschied zwischen exakter und näherungsweiser Gleichheit schon manches Graphiksystem zum Absturz gebracht hat.

Als nächstes geht es um die grundlegenden Datenstrukturen der Computeralgebra. Es wird sich zeigen, daß ein Computeralgebrasystem gelegentlich eine ganz andere Aufgabe löst als die, die der Anwender im Sinn hatte. Außerdem geht es hier um grundsätzliche Unentscheidbarkeitsfragen, die jedem Computeralgebrasystem Grenzen setzen.

Nach diesen allgemeinen Vorbereitungen folgen die grundlegenden Algorithmen der Computeralgebra, als erster der praktisch überall benötigte Euklidische Algorithmus, der bereits das Problem der explodierenden Zwischenresultate illustriert. Als Abhilfe dient unter anderem die Modulararithmetik, und mit ähnlichen Methoden läßt sich auch die auch die schnelle Fourier-Transformation samt ihren Anwendungen behandeln.

Nächstes Thema ist die Faktorisierung von Polynomen, die sowohl für die darauf folgende symbolische Integration als auch für viele anderen Gebiete der Computeralgebra wichtig ist. Für den Rest des Semesters geht es dann um das Auflösen von Gleichungen, zunächst um nichtlineare Gleichungssysteme mit Anwendungen unter anderem in der Robotik, dann um spezielle Fragen für reelle Nullstellen, insbesondere auch um das beispielsweise in der Computergraphik wichtige exakte Rechnen mit solchen Nullstellen.

Voraussetzungen: Grundkenntnisse der linearen Algebra und Analysis. Zur Vorlesung Algebra I gibt es kaum Überschneidungen; sie wird insbesondere auch nicht vorausgesetzt.

Hinweis zu Prüfungen: Für Mathematiker des alten Studiengang zählt die Computeralgebra als algebraische Vorlesung zum Prüfungsgebiet Mathematik I.