INHALT: Die zu Beginn dieses Jahrhunderts vor allem von David Hilbert begründete Axiomatische Methode der Mathematik hatte das Ziel, die gesamte Mathematik auf eine endliche Anzahl von Axiomen zurückzuführen, aufgrund derer sich mit einer Entscheidungsprozedur für jede mathematische Aussage zumindest im Prinzip auf rein mechanische Weise feststellen läßt, ob sie richtig oder falsch ist.
Dieser Ansatz erwies sich als undurchführbar: Nach einem vielzitierten Satz von Gödel gibt es in jeder mathematischen Theorie, die mindestens die natürlichen Zahlen enthält, wahre Aussagen, die sich nicht aus den Axiomen herleiten lassen. Weitere Arbeiten von Turing und Rice lieferten konkrete unentscheidbare Probleme der Berechenbarkeitstheorie wie etwa das Halteproblem für Turing-Maschinen und zeigten die Unmöglichkeit einer Entscheidungsprozedur selbst für die beweisbaren Aussagen einer Theorie. Inzwischen kennt man konkrete unentscheidbare Probleme auch in der Zahlentheorie (Lösbarkeit diophantischer Gleichungen) und der Analysis (Gleichheit reeller Funktionen, Lösbarkeit reeller Gleichungen, Langzeitverhalten der Lösungen von Differentialgleichungen bei chaotischen Systemen, Konvergenzverhalten numerischer Iterationsverfahren, Fraktale); auf der anderen Seite weiß man aber auch, daß es beispielsweise für die euklidische Elementargeometrie eine Endscheidungsprozedur gibt.
Im Seminar sollen die wichtigsten Sätze dieser Art vorgestellt und -soweit möglich- bewiesen werden; daneben sollen auch weitere Entwicklungen wie Chaitins Algorithmische Komplexitätstheorie vorgestellt werden und die Konsequenzen unentscheidbarer Probleme für die Mathematik diskutiert werden. Als Beispiel dafür seien etwa die umstrittenen Thesen von Penrose erwähnt (siehe etwa sein Buch Shadows of the mind), wonach aufgrund der Gödelschen Sätze viele Ziele der Künstlichen Intelligenz prinzpiell unerreichbar sind und ein Computer insbesondere nie ein menschliches Gehirn simulieren kann - selbst wenn es nur um mathematisches Schließen geht.
Ähnlich wurde auch von Juristen schon argumentiert, daß aufgrund der Gödelschen Sätze kein Gesetzessystem für sich allein das vom Richter zu sprechende Recht festlegen kann.
Gedacht für: Studenten im Hauptstudium
Voraussetzungen: Analysis, Lineare Algebra
Literaturangaben: s. Vorläufige Themenübersicht