Voraussetzungen und Zielgruppe: Die Vorlesung richtet sich
an Studenten des Integrierten Studiengangs Mathematik und
Informatik im Hauptstudium.
Vorausgesetzt werden nur Grundstudiumskenntnisse aus Analysis,
Linearer Algebra und Numerik; alles andere wird
in der Vorlesung selbst entwickelt.
Prüfungsrelevanz: Die Vorlesung kann als Teil des
Vertiefungsfachs Geometrie gewählt werden
in Kombination mit Vorlesungen und Seminaren über Algebraische
und/oder Differentialgeometrie; eine Vorlesung aus dem Bereich der
algebraischen Geometrie werde ich voraussichtlich im nächsten
Sommer anbieten. Zusammen mit einer solchen Vorlesung kann sie
gegebenenfalls auch f"ur das Vertiefungsgebiet Algebra
gezählt werden.
Bei passendem Vertiefungs- und/oder Anwendungsfach kann die
geometrische Modellierung natürlich auch für das
Fach Brücke gehört werden.
Als dann die Zeichentische durch CAD-Systeme ersetzt wurden,
setzte sich langsam durch, anstelle der zweidimensionalen
Zeichnung gleich eine Beschreibung der dreidimensionalen
Objekte zu erzeugen. Daraus konnte der Computer nicht nur
beliebige zweidimensionale Ansichten erzeugen, sondern man
konnte die Daten auch gleich zur numerischen Simulation
der konstruierten Objekte benutzen (ohne diese selbst
teuer bauen zu müssen), und man konnte sie, wenn man nach
mehreren Ansätzen mit den Simulationsergebnissen zufrieden
war, an numerisch gesteuerte Fertigungsmaschinen weitergeben,
die das Objekt dann wirklich konstruierten. Für dieses
Arbeiten mit den dreidimensionalen geometrischen Objekten
der darstellenden Geometrie bürgerte sich der Name
solid modeling ein.
Die geometrische Modellierung ist die natürliche
Weiterentwicklung des solid modeling, die mit Objekten
beliebiger Form arbeitet; diese werden durch ihre Randflächen
beschrieben, die entweder als parametrische Flächen (Splines)
oder als implizite Flächen (Nullstellen eines Polynoms)
gegeben sind. Dadurch sind auch Anwendungen im
Design möglich sowie (in Verbindung mit Beleuchtungsalgorithmen)
in der photorealistischen Graphik bis hin zu special effects
bei Filmen.
Auch wenn es einige experimentelle Systeme gibt, die mit
Methoden der Computeralgebra und somit exakt arbeiten, gibt
es doch für die meisten Anwendungen aus Effizensgründen
keine Alternative zum numerischen Rechnen. In einer
Gleitkommaarithmetik gelten aber andere Rechenregeln als in
den reellen Zahlen; es gibt Phänomene wir verzopfte Geraden,
die in der gewohnten Geometrie keine Entsprechung haben, und
es kann von der Reihenfolge der Rechenoperationen abhängen,
ob zwei durch geometrische Bedingungen beschriebene Punkte
numerisch gleich sind oder nicht, so daß selbst die einfache
Frage nach dem Schnittpunkt zweier Geraden keinesfalls nur
als Problem der linearen Algebra betrachtet werden kann:
Ein System zur geometrischen Modellierung muß sicherstellen,
daß die gleiche Frage immer auf die gleiche Antwort führt;
wie die Erfahrung zeigt, führen logische und geometrische
Inkonsistenzen fast immer zum Absturz des Systems oder zu
unsinnigen Ergebnissen, da es über kurz oder lang beispielsweise
zu einer Division durch Null oder etwas ähnlichem kommen wird.
Wir werden einige allgemeine Strategien zum Umgang mit diesem
Problem diskutieren und anhand eines konkreten, in C
implementierten Systems sehen, wie zumindest im Rahmen des
solid modeling eine einfache Lösung möglich ist, indem
man nur sogenannten Euler-Operationen als primitive
Konstruktionsschritte zuläßt.
Ein wesentlicher Aspekt der geometrischen Modellierung ist
die Darstellung der erzeugten Objekte auf Bildschirm, Drucker
und anderen Ausgabegeräten. Dazu muß zunächst eine Projektion
in die Ebene festgelegt werden, wofür insbesondere bei
technischen Anwendungen gewisse Standards normiert sind; danach
muß das zweidimensionale Bild in Rastergraphik umgesetzt
werden, was bereits für Geraden und Kreise nicht völlig
offensichtliche Algorithmen erfordert. Außerdem müssen
sogenannte alias-Effekte vermieden werden, die durch
ein für Teile der Zeichnung zu grobes Raster entstehen können.
Interessiert man sich nicht nur für eine technische Zeichnung,
sondern für ein photorealistisches Bild, muß schließlich noch
die Beschaffenheit von Oberflächen ins Modell aufgenommen
werden. Außerdem muß die Art der Beleuchtung festgelegt
und ihr Effekt auf die dargestellt Szene berechnet werden.
Christoph M. Hoffmann: Geometric and solid modeling,
Morgan Kaufmann, 1993
Bücher ähnlichen Inhalts, die allerdings nicht ganz so breit
angelegt sind, sind unter anderem
Wolfgang Boehm, Hartmut Prautzsch:
Geometric Concepts for Geometric Design,
A K Peters, 1994
Andreas Hartwig:
Algebraic 3-D Modelling,
A K Peters, 1996
Speziell mit solid modeling bis hin zur vollständigen
Implementierung eines Systems beschäftigt sich
Martti Mäntylä:
Introduction to solid modeling,
Computer Science Press, 1988
Bei den folgenden beiden Büchern liegt das Hauptgewicht
auf der Modellierung mit Splines:
Gerald Farin:
NURBS: from projective geometry to practical use,
AK Peters, 21999
Les Piegl, Wayne Tiller:
The NURBS book, Springer, 21997
Impliziten Flächen gewidmet sind
Jules Bloomenthal, Chandrajit L. Bajaj [Hrsg.]:
Introduction to implicit surfaces,
Morgan Kaufmann, 1997
Luiz Velho, Jonas Gomes, Henrique de Figueiredo:
Implicit objects in computer graphics, Springer, 2002
Fortgeschrittene Techniken der reell-algebraischen Geometrie,
von denen in der Vorlesung höchstens die ersten Anfänge
kurz angedeutet werden können, findet man bei
Riccardo Benedetti, Jean Jacques Risler:
Real algebraic and semi-algebraic sets,
Hermann, Paris, 1990
Mit der graphischen Umsetzung geometrischer Modelle
beschäftigen sich unter anderem die Bücher
Edward Angel:
Interactive Computer Graphics.
A top-down approach with OpenGL,
Addison Wesley, 32003
James D. Foley, Andries van Dam, Steven K. Feiner, John F. Hughes:
Computer Graphics. Principles and Practice,
Addison-Wesley, 21995
David F. Rogers:
Procedural Elements for Computer Graphics,
McGraw-Hill, 1985
OpenGL Architecture Review Board:
OpenGL programming guide, Addison-Wesley, 31999Was ist geometrische Modellierung?
Bis vor etwa dreißig Jahren gab es an jedem mathematischen
Institut eine Vorlesung Darstellende Geometrie, die vor
allem für Ingenieure zum Pflichtteil ihrer Ausbildung
gehörte. Dort lernte man, wie man am Zeichentisch Pläne
für Gebäude, technische Geräte und ähnliches entwirft,
geometrisch betrachtet also, wie man zweidimensionale Bilder
dreidimensionaler Objekte konstruiert. Diese Objekte
waren naturgemäß sehr einfach; abgesehen von Kegeln,
Zylindern und Kugeln gab es praktisch nur Körper mit ebenen
Begrenzungsflächen.Inhalt der Vorlesung
Die Vorlesung beginnt mit den verschiedenen Beschreibungs- und
Darstellungsformen für dreidimensionale Objekte und einer
ersten Diskussion der Vor- und Nachteile der verschiedenen
Verfahren. Ein genaueres Bild ergibt sich anschließend bei
der erheblich umfangreicheren Behandlung der Algorithmen
für die Manipulation dieser Strukturen.Gliederung
Literatur
Einen sehr guten ersten Überblick über das Gesamtgebiet gibt